Kleinhüningen, Klybeck, Matthäus, ein Kleinbasler Triptychon
Ein Teil der jungen Menschen, die in unserer Stadt leben, identifiziert sich seit geraumer Zeit stark mit den Postleitzahlen der eigenen Wohnquartiere. Dieser Kult stammt aus der HipHop-Szene der USA, der eigene «Area Code» markiert dort die eigene «Hood» – die Nummernkombination der Nachbarschaft als Identitätsstempel. «4057» ist die Postleitzahl der Quartiere Kleinhüningen, Klybeck, Matthäus, oft genug steht sie in Krakelschrift an Kleinbasler Wänden, an denen eigentlich nichts stehen sollte. Diese Zeichen aus dem urbanen Unterbauch zeigen jedoch eine Lebensrealität auf – drei Quartiere bilden hier einen Stadtteil, ein verwobenes, von sozialen Netzen und Kommunikationsspinnweben durchzogenes Ganzes.
©Rhystadt/Christian Platz, Bilder: Andreas Schwald
Die momentane Situation in diesem Stadtteil mit Rheinanschluss ist auch ein Zustand des Wartens, denn grosse Veränderungen zeichnen sich am Horizont ab, in 25 Jahren – und dann erst in einem halben Jahrhundert – wird hier alles anders sein. Diese Bewegung wurde schon lange angestossen, auf vielen Ebenen, erste Akteure beginnen ihre Häupter zu erheben, lokale, nationale, internationale, soziale und gesellschaftliche Anliegen werden hier bald auf harte Geschäftsinteressen stossen, dabei müssen neue Wege der Zusammenarbeit gefunden werden.
Die Zukunft stellt hier oben, in der nördlichen minderen Stadt, zur Zeit noch eine weiche Materie dar, doch in nächster Zeit wird sie sich wohl konkretisieren. Die Frage ist: Wann zieht der Teig an? Was für Ansprüche, Interessen, Anliegen werden dann zutage treten?
Seismograph für Stimmungen und Entwicklungen
«Schon für die Jugendlichen bilden diese drei Kleinbasler Quartiere eine einzige Landschaft, das ist ganz klar. Kinder sind noch stärker direkt ans Quartier gebunden. Wenn man unter 10 Jahre alt ist und in Kleinhüningen aufwächst, dann ist die Freizeithalle Dreirosen schon eher ausserhalb des Territoriums, in dem man sich alleine frei bewegt», sagt Marc Moresi, Leiter der Freizeithalle Dreirosen, seit es dieses Angebot der Jugendarbeit Basel (JuAr Basel) im Kopf der Dreirosenbrücke gibt – schon vorher hat er in dieser Gegend gearbeitet, im Jugendzentrum Barracuda am Altrheinweg.
Sein heutiger Arbeitsort markiert also genau die Grenze zwischen dem Klybeck- und dem Matthäusquartier und natürlich spürt er auch Kleinhüningen. Die Freizeithalle und ihre Geschwisterangebote im Brückenkopf, das Jugendzentrum Dreirosen und das RiiBistro, bilden zusammen einen Seismographen für die Stimmungen und Entwicklungen in diesem Stadtteil. Moresi agiert seit mehr als zwei Jahrzehnten mittendrin und ist optimal vernetzt: «Wir haben hier», sagt er, «eine hochkomplexe Bevölkerungssituation, eine multikulturelle Homogenität, hier existieren alternative Lebens- und Wohnformen neben einem Arbeitermilieu, das aus Leuten, die aus vielen Ländern hierher gekommen sind, zusammengesetzt ist. Dazu kommt der zunehmende Nutzungsdruck auf die Rheinpromenade.»
Der momentane Zustand hier, dessen sei er sich bewusst, können nicht als gefestigt betrachtet werden. Er stellt vielmehr eine Übergangsphase dar, einen Aggregats-Zustand gewissermassen. Aber dieser Stadtteil sei ziemlich resistent, er habe schon viele Veränderungen überstanden, reflektiert Moresi.
Eine riesige Herausforderung
Der Publikumsdruck auf dieses betreute Sport- und Bewegungsangebot, einer Turnhalle De Luxe gewissermassen, in dem vieles gratis, anderes für wenig Geld bespielt und genutzt werden kann, ist gewaltig. «Es ist schon verrückt», so Moresi, «unser Angebot zieht die ganze Stadt an und natürlich haben wir Stammkundschaft aus unserer direkten Umgebung. Der Druck auf die Infrastruktur und die Räume, die wir günstig und niederschwellig anbieten und vermieten, steigt zusehends. An manchen Tagen könnten wir 500 Leute aufnehmen, das sprengt aber unsere Kapazität bei weitem.»
Unter den Mietern sind viele kulturelle und gemeinnützige Organisationen, vornehmlich aus den Gebieten mit den Postleitzahlen 4057 und 4058, aber auch von der anderen Seite des Rhein, also 4056 – natürlich werden auch Geburtstage begangen und Feiertage aus der ganzen Welt. Es gibt hier nichts Vergleichbares.
Dabei bräuchte es in diesem Stadtteil dringend mehr Angebote für Kinder, Jugendliche, Familien. Schon jetzt. Doch wer kann oder will das finanzieren? Moresi: «Wenn da drüben im Klybeck in den nächsten 25, 30 Jahren Zehntausende von Leuten zusätzlich einziehen, dann wird sich ohnehin alles ändern. Das wird eine riesige Herausforderung.»