Klybeck: Freie Fläche, Industriequartier, Zukunftshoffnung
Wiesen, Gehölz, Weideland, Rebland, das Klybeck-Quartier war jahrhundertelang eine freie Fläche zwischen dem Matthäus-Quartier und dem Dorf Kleinhüningen. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, jener Epoche der Verwandlung, änderte sich das alles. Die aufkommende Industrie konnte das Territorium gut brauchen und prägte es für mehr als ein weiteres Zentennium. Jetzt steht dem Klybeck erneut ein Wandel bevor.
©Rhystadt/Christian Platz, Bild: Roland Schmid
Im frühen 19. Jahrhundert war da noch die ländliche Idylle, die jedoch regelmässig von Hochwassern des Rheins und der Wiese heimgesucht wurde, Basels Überschwemmungsgebiet. Die Färbereien waren damals ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Stadt. Sie waren in jener Zeit – mit ihren Salzen, Säuren, Alkalien – jedoch auch zur Belastung für die Umwelt geworden. Ein zunehmender Druck, die Innerstadt zu verlassen, lastete auf der Industrie. Also siedelte sie sich ab den 1860er-Jahren im Klybeck an.
Aus heutiger Sicht waren es keine Grossbetriebe, die da nach Norden zogen. Doch mit dem Ortswechsel begann ein Prozess der Firmenübernahmen, der Partnerschaften und Fusionen. Grosse Siegerin dieser Zeit des Aufbruchs und der Konkurrenzkämpfe war die «Gesellschaft für Chemische Industrie Basel», die «Ciba» – eine Abkürzung übrigens, die aus dem Volksmund stammt, erst 1945 wurde sie offiziell zum Firmennamen erklärt. Gründer der Firma war Alexander Clavel, der seine Färberei zunächst an der Kleinbasler Rebgasse betrieben hatte, 1864 aber durch Umweltauflagen dazu gezwungen wurde, an die Klybeckstrasse zu dislozieren.
Maschinen
So entstand eine neue Welt – und eine geschäftige war es: Werkareale, Maschinen, industrielle Zweckbauten prägten das Bild. Und – ebenfalls zweckmässige – Wohnungen für die vielen Arbeiterfamilien, die in den Fabriken Lohn und Brot verdienten. Parallelentwicklungen waren die Zuschüttung des Rheinarms Ende des 19. Jahrhunderts, da wurde Land gewonnen, alsbald von Eisenbahngeleisen, Lagergebäuden und Bauten der ansässigen Firmen belegt, sowie die Verlegung eines Friedhofs, der im Rosental an seine Kapazitätsgrenze gestossen war, ins Klybeck.
Dem Gottesacker war allerdings keine lange Existenz beschieden. Nach vierzig Jahren wurde er abgeräumt, der rechte Teil der Anlage wurde zum Horburgpark, den linken beanspruchte die Industrie für sich. Eine Industrie, die eben auch Menschen brauchte; und die kamen – bald aus allen Himmelsrichtungen.
Menschen
Industrieanlagen benötigten – vor allem in jener Zeit, in der die Situation des öffentlichen Transports noch keine grosse Pendelei ermöglichte – nahe gelegene Wohnflächen für Arbeiterfamilien. So war das auch im Klybeck. Natürlich macht es Sinn, das Industriequartier und das Wohnquartier Klybeck getrennt zu betrachten. Bereits 1910 enthielt ein Bericht des statistischen Amts Basel-Stadt folgende Passage: «Zwischen der Horburgstrasse und der Wiese liegt das Industrieviertel Klybeck. Grosse Teile sind noch zu bebauen; die vorhandenen Wohnhäuser aber vertreten den Typus der Mietskaserne». Es waren dichte Blockrand-Bebauungen, die entstanden, mit Innenhöfen, welche teilweise durch Gewerbe belegt waren.
Von Anfang an waren unter den Arbeiterfamilien, die hier wohnten, viele Auswärtige, das begann mit Leuten aus Bern (Kanton und Oberland) und dem Tessin, die von gewissen Basler Kreisen als «kulturfremd» und deshalb verdächtig wahrgenommen wurden. Bald erschienen Menschen aus Italien und Spanien im Quartier – und mit den Jahrzehnten wurde das Klybeck international. Heute wohnen im Quartier, das einen Ausländeranteil von 48 Prozent aufweist, Menschen aus der ganzen Welt. Menschen aus den EU- und EFTA-Staaten machen dabei die grösste Gruppe aus, die Anzahl der Anwohner*innen aus dem Balkan und der Türkei ist in den letzten Jahren eher gesunken, während jene aus arabischen und afrikanischen Ländern gestiegen ist.
Das heutige Klybeck ist multikulturelles Gebiet, mit bezahlbarem Wohnraum, einem hohen Anteil an Jugendlichen und Menschen, die Sozialhilfe beziehen. Nun steht das Quartier vor massiven Veränderungen, die Industrie hat sich praktisch zurückgezogen, riesige Flächen werden frei, bis zu 8000 neue Bewohnerinnen werden in den nächsten 25 Jahren erwartet. Ein neuer Abschnitt der Quartiergeschichte beginnt.