Salon Basel Next zu «Gentrifizierung»: lebendige und differenzierte Diskussion
Die Aufwertung des Klybeck-Quartiers ist vor allem eine Chance. Gegen unerwünschte «Verdrängung» gibt es schon griffige Instrumente. Zu wenig Tempo und zu viel Aktivismus bringen allerdings Stillstands-Gefahr. Das ist das Fazit der Diskussionsveranstaltung zu den Auswirkungen der Klybeck-Transformation auf die soziale Dynamik im Basler Norden.
©Rhystadt, Bilder: Kim Culetto
Unter der Leitung von Dieter Kohler diskutierten im Salon Basel Next der Verantwortliche für die Stadtentwicklung Lukas Ott, der Zürcher Filmemacher Thomas Haemmerli, der Grossrat Joël Thüring und die Soziologin und Gentrifizierungs-Expertin Joëlle Zimmerli. In ihrem Einleitungsreferat vermittelte sie einen Überblick über die Verdrängungsdebatte seit den 60er-Jahren und setzte einen gedanklichen Rahmen dafür, wie man soziale Dynamiken in der Entwicklung von Quartieren charakterisieren und bewerten kann.
Ist «Veränderung» gut oder schlecht?
Ob der Zuzug von neuen sozialen Gruppen und Menschen mit einem anderen Lebensstil in ein bestehendes Quartier positiv oder negativ ist, ist laut Zimmerli eine «politische» oder sogar «philosophische Frage». Die Bewertung hänge von weltanschaulichen Gesichtspunkten ab. Als Beispiel nannte Zimmerli die unterschiedliche Bewertung des Zuzugs von Gruppen und Menschen mit Migrationshintergrund auf der einen oder so genannten «Expats» auf der anderen Seite – beides wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.
Unabhängig von der Bewertung, die eben ganz unterschiedlich ausfallen könne, erläuterte die Soziologin vier Typen von sozialer Dynamik und deren Gestaltung:
- Kontinuität: es bleibt, wie es ist und man sorgt dafür ganz bewusst dafür, dass es so bleibt;
- Aufmischung: es findet ein Wandel statt, der Bestehendes und Neues «zusammenbringt»;
- Neupositionierung: ein Quartier macht einen kompletten Wandel durch, der bewusst gefördert wird – als Beispiel nannte Zimmerli die Weststrasse in Zürich;
- Laisser-Faire – der Wandel «passiert », ohne dass gross Einfluss genommen wird, was dann zu homogenen Arealen führe, so Zimmerli.
Das Klybeck wird «aufgemischt» – gut so!
In diesem Sinne kann man die die Dynamik im Basler Norden, welche auch, aber nicht nur durch die Transformation des Klybeck-Areals ausgelöst wird, als «Aufmischung» im positiven Sinn bezeichnen. Und die Diskussionsteilnehmenden waren sich dabei einig: dies ist nötig und gut. Denn das Klybeck leide heute unter den Folgeproblemen einer problematischen sozioökonomischen Struktur, mit unterdurchschnittlichem Bildungsgrad und Einkommen. Deshalb sei es wichtig, dass viele neue und moderne Wohnungen gebaut würden, die Infrastruktur erneuert werde und vor allem Grün- und Freiräume entstünden, betonten allen voran Joëlle Zimmerli und Thomas Haemmerli. Die Entwicklung bringe neue Gruppen ins Quartier, sei aber auch ein Gewinn für die Menschen, die heute hier lebten. Der Plan, der im Städtebaulichen Leitbild skizziert wird, also das das Projekt eines grünen, durchmischten und klimafreundlichen Quartiers schafft die Voraussetzungen dafür. Spitz kommentierte die Soziologin Zimmerli den Widerspruch derjenigen, die stetig vor «Gentrifizierung» warnen und der Entwicklung skeptisch begegnen: «Ja, wer keine Veränderung will, darf keine Bäume pflanzen, denn mehr Grün ziehe neue Leute an». Dass keine neuen Bäume aber nicht im Interesse der Menschen sind, musste sie nicht speziell erwähnen.
Wieviel Regeln und Tempo?
Zu reden gab allerdings die Frage, ob und wie viele «Verlierer» diese Entwicklung produziert und was dagegen zu tun sei. Für Grossrat Joël Thüring und den Filmemacher Thomas Haemmerli bestehen eher zu viele und unnötige Einschränkungen: «Man kann und soll Verdrängung nicht komplett verhindern. Viel schlimmer als Gentrifizierung ist keine Gentrifizierung mit grosser Abwanderung in die Agglomeration», meinte Haemmerli. Und Thüring plädierte für mehr Mut statt «viele Konzepte», weniger Regeln und höheres Tempo bei der Entwicklung – vor allem mehr Tempo und Pragmatismus auf Seiten der Verwaltung
Wieviel Regeln und Tempo?
Stadtentwickler Ott meinte, die seit 2005 anhaltende Zuwanderung in die Stadt müsse allerdings so gestaltet werden, dass die gesellschaftlichen Gräben nicht zu gross würden: «Wir wollen eine inklusive Gesellschaft!». Deshalb brauche es «dämpfende Massnahmen» wie einen angemessenen Anteil an preisgünstigen Wohnungen, wie es die Planung auf dem Klybeck-Areal vorsieht. Diese Massnahmen erwähnte auch die Soziologin anerkennend. Umso mehr sei die Entwicklung eine Chance. Wie umfangreich und streng diese Massnahmen sein sollten – so eine Frage aus dem Publikum – könne man aus wissenschaftlicher Sicht aber nicht sagen, erklärte Zimmerli. Wichtiger als diese Frage sei aber, dass Aufwertung wie die Schaffung von neuen Pärken und die Wohnungsproduktion parallel erfolgten. Sonst wachse der Druck auf den Wohnungsmarkt zu stark.